Tinizong (deutsch Tinzen)
ist ein malerisches Dorf in der Gemeinde Surses am Julierpass im Kanton. Es ist das Heimatort meiner Familie.

Die Gegend um Tinizong war bereits in der prähistorischen Zeit besiedelt. Archäologische Funde weisen darauf hin, dass diese Region aufgrund ihrer strategischen Lage in den Alpen als Handels- und Verkehrsroute genutzt wurde.

Auf einer römischen Strassenkarte von ca. 300 findet man zwischen dem Bergell und Chur nur die Ortschaft Tinnetio (Tinizong).

Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert war Tinizong Sustenort der Portengenossenschaft Oberhalbstein. In Tinizong bestanden in karolingischer Zeit ein Königshof und im Mittelalter drei nun verschwundene Wehrtürme. 

Tinizong war Sitz der Herren von Tinizong und von Marmels. Tinizong gehörte im Mittelalter zum Bistum Chur und war Teil des Einflussgebiets der Freiherren von Vaz. Diese hatten eine bedeutende Rolle in der Verwaltung und Herrschaft über das Bündnerland.

Die Romanische Sprache prägte die kulturelle Identität des Dorfs. Sursilvan, ein Dialekt des Rätoromanischen, wird bis heute in der Region gesprochen. 

Im einstigen Bauerndorf, wo das Transportgewerbe einen Zusatzverdienst bot, gibt es heute etwas Gewerbe, u.a. eine Fleischtrocknerei, zwei Hotels und eine grosse Ferienhaussiedlung.

In der Blasiuskirche nehmen die Frauen auf der rechten Schiffseite Platz. Gemäss der Überlieferung erlangten sie dieses Vorrecht, weil sie den von ihren Männern gerufenen Reformator mit Gabeln und Sensen aus dem Dorf verbannten.

Die Fusion mit anderen Gemeinden zu Surses (2016) war ein bedeutender Schritt in der jüngeren Geschichte, der zur administrativen und wirtschaftlichen Effizienz beitragen sollte.

Oberhalbstein während der Römerzeit und im Mittelalter
Im Oberhalbstein sind vier Siedlungsplätze ebenso nachgewiesen wie die Gewinnung und Verhüttung von Kupfer. Das «Itinerarium Antonini» zeigt die römische Strasse durchs Oberhalbstein mit der Station Tinnetione (Tinizong). Der Zugang von Norden her erfolgte auf der linken Talseite, vorbei an der mutatio (Herberge mit Stallungen) von Riom. Der Julierpass wurde mit zweirädrigen Karren befahren; auf der Passhöhe stand ein römisches Heiligtum. Frührömische Siedlungsspuren auf der Passhöhe belegen, dass auch der Septimerpass begangen wurde. 

Bis ins 14. Jahrhundert hatte der Churer Bischof die Territorialhoheit im ganzen Oberhalbstein erlangt; er ernannte Vögte und Ammänner für das hohe und das niedere Gericht. Wichtigste einheimische Ministerialen waren die Herren von Marmels mit der gleichnamigen Burg bei Marmorera. Die im 13. und 14. Jahrhundert vom Churer Kloster St. Luzi und bischöflichen Lehensherren vor allem in Höhenlagen angesiedelten Walser gingen in der romanischen Bevölkerung auf. 

Die Reformation erfasste nur Teile von Bivio, das rege Kontakte zum Bergell, zu Avers und zum Engadin pflegte. Das restliche Oberhalbstein wurde von der Gegenreformation an von Kapuzinern pastoriert, die den Bau einer ganzen Reihe von Barockkirchen vorantrieben. 1367 schlossen sich die Talleute dem Gotteshausbund an.

Haupterwerbsquelle war die Viehzucht, im unteren Oberhalbstein ergänzt durch Getreidebau zur Selbstversorgung. Ein um ca. 1100 und das im späten 14. Jahrhundert erstellte, einige Jahrzehnte bestehende Fahrsträsschen förderte den Transitverkehr über den Septimer, den die Porten (Transportgenossenschaften) Tinizong (ab 1706 Oberhalbstein) und Bivio kontrollierten. Im Mittelalter waren alpine Pässe wichtige Handelsrouten für den Austausch von Gütern wie Salz, Wein, Getreide und Stoffen. Bewohner der Region verdienten ihren Lebensunterhalt, indem sie Transporte über die Pässe organisierten.
Von der Bronzezeit bis zum Zweiten Weltkrieg wurden im Val d'Err Manganerze abgebaut, darunter die seltenen Tinzenit, Parsettensit und Sursassit.

Neuzeit

Die Obere Strasse verlor nach 1473 an Bedeutung wegen des Ausbaus der Strasse durch die Viamala Richtung Splügen und San Bernardino. Die Fahrstrasse über den Julier wurde 1820-1826 angelegt, das nördlich anschliessende Stück durch das Oberhalbstein 1834-1840. 

Die Albulabahn brachte 1903 einen Rückgang des Transitverkehrs, den das Aufkommen der Autos und der Ausbau der Julierstrasse in den 1930er Jahren wieder wettmachten. 

Die Anlage der Julia-Kraftwerke mit dem Stausee Marmorera wurde 1945 in Angriff genommen. 

Um 1960 setzte der Aufschwung des Wintertourismus in Bivio und Savognin, dem heutigen Zentrum des Tales, ein. 2000 waren ca. 55% der Bevölkerung des Oberhalbsteins romanisch-, 38% deutsch- und 6% italienischsprachig.


 

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